Tor, der ich bin, lese ich aber auch das französische Pendant zum LTB. Und prompt gehe ich in die Falle. Tischen uns doch die Franzosen dieses Machwerk auf! Was sagt man dazu?! Zähneknirschend habe ich mich dazu durchgerungen, dem Comic eine Chance zu geben - obwohl ich Einheitsbrei bevorzuge und Micky doof finde. Aber tun wir das nicht alle?
Also zur Sache: Who the hell ist eigentlich dieser Dr. Mouse?
Ach, der da!
Ich weiß nicht, was ich besser finden soll: Die Sänfte oder den schwungvollen Dreifachhieb mit dem Gehstock? Wie auch immer. Im Kino (und auch in TV-Serien) besteht die Kunst darin, die Hauptfigur auf prägnante Art und Weise einzuführen. Man zielt damit darauf ab, eine bestimmte Reaktion beim Zuschauer zu bewirken, beispielsweise: "Ah, um den geht's. Der macht einen interessanten Eindruck!" Vitaliano und Perina meistern diese Anforderung gekonnt. Die Quintessenz seines Charakters wird bereits in diesem ersten Bild mehr als deutlich: Mouse ist ein arroganter Zyniker, der uns trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - zum Lachen bringt. Von allen verwendeten Figuren agiert Micky am deutlichsten out of character. Vom selbstlosen Musterbürger ist hier keine Spur: Mouse ist respektlos gegenüber seiner Vorgesetzten (Minni als Dr. Lisa Cuddy), herablassend gegenüber seinen Mitarbeitern und schlichtweg dreist im Umgang mit seinen Patienten. Beispiel gefällig?
Messerscharfe Dialoge sind ohnehin eine Spezialität von Vitaliano. Hier läuft er zur Hochform auf.
Mouse interessiert sich offenkundig nicht für das Wohl seiner Patienten. Er fühlt sich hilflos unterfordert und verarbeitet die Langeweile, indem er seine Umwelt piesackt. Ebenso wie seine Vorlage ist auch Mouse Spezialist für außergewöhnliche Krankheiten. Der Krankenhaus-Alltag ist ihm daher ein Gräuel. Beispielhaft hierfür ist das folgende Panel, in welchem Mouse sein Problem ausformuliert: "Seht euch bloß diese Patienten an, mit ihren banalen, uninteressanten Leiden... Es ist deprimierend!"
Auch dieses Panel strotzt vor kleinen Gags: Man achte auf die Würgeschlange! Zugegeben, der Patient mit Wartenummer 1113 ist ebenfalls nicht ohne.
Die Gags und trockenen Dialoge bilden fraglos das Zentrum der Story. Die Handlung, auf welche ich nicht eingehen werde, für den Fall dass es der Comic doch noch nach Deutschland schafft, ist dagegen recht unspektakulär. Insofern ähnelt die Parodie eher der Comedy-Serie Scrubs. Lebensbedrohliche Krankheiten, menschliche Tragödien und ähnliche Spaßbremsen werden ausgeblendet. Die dramatische Tiefe der Vorlage erreicht Vitalianos Adaption zu keinem Augenblick. Sie versucht es erst gar nicht. Und das ist auch gut so. Hirnblutungen & Co. haben in einem Disney-Comic nichts verloren. Sag ich jetzt mal.
Woran leiden die Patienten dann eigentlich? An einem eingewachsenen Nagel. Zumindest wenn man Goreman (Goofy) Glauben schenkt. Womit wir auch schon bei den Assistenzärzten wären: Besagter Goreman, Cheesecake (Rudi) und Clarison (Klarabella). Deren Hauptfunktion besteht darin, sich gegenseitig herunterzuputzen. So wie hier:
Oder auch hier:
*Hunz*. Wenn das mal nicht ein Soundword ist, das sich gewaschen hat. Schon allein dafür lohnt es sich, fremdsprachige Disney-Publikationen zur Hand zu nehmen.
Es wäre unpräzise, Goofy, Rudi und Klarabella als komische Sidekicks zu bezeichnen. Sicher, sie sind komisch. Aber die Hauptfigur ist es in noch stärkerem Maße. Normalerweise funktionieren Comics nicht, in denen alle Figuren außer Rand und Band sind. Es bedarf eines ernsthaften Gegenwichts, durch welches die Komik überhaupt erst zum Tragen kommt. Für dieses sorgen hier die Patienten, welche dem Irrsinn fassungs- und hilflos gegenüberstehen. Vitaliano reizt die Absurdität bis zur Albernheit aus. Der schmale Grat zwischen Komik und Lachhaftigkeit wird allerdings nur selten überschritten. Es mag Geschmackssache sein, aber einige Ideen finde ich einfach... verdammt witzig. Ärzte, die im Park auf potenzielle Patienten Jagd machen, ist eine davon.
An dieser Stelle sei auch das Artwork Perinas gewürdigt: Seine bildliche Umsetzung setzt der ohnehin schon lustigen Idee die Krone auf. Die Mimik der Figuren ist schlichtweg herrlich - und das nicht nur in diesem Panel.
Interessant ist nicht zuletzt, dass Vitaliano eine Figur entwirft, die Micky charakterlich zwar nicht im Geringsten ähnelt, dennoch aber dessen ewigem Schicksal nicht entgeht: Auch Dr. Mouse findet sich schließlich in der Rolle des Detektivs wieder. Maus kann halt nicht aus seiner Haut.
Lange Rede, kurzer Sinn: Liebe Redaktion, druckt diesen Comic in Deutschland ab! Aber dalli! Wenn mich nicht alles täuscht, hatten die Finnen mal wieder ihre Finger im Spiel, also muss wohl eine Nebenreihe dafür herhalten. Auch recht. Ich meine: Was spricht dagegen? 69 Seiten Maus? Dass es eine Parodie ist? Lasst mich eure Bedenken entkräften: Selbst ein Ignorant wie ich war in der Lage, der Story zu folgen. Sicher, ich kann's verstehen: Gagstorys mit Helferlein, Achtmalacht oder Nimmermehr haben natürlich Vorrang. Aber wenn ihr mal den Platz findet, dann zaudert nicht! Gott wird's euch vergelten. Naja, zumindest die Leser. Amen.
Storycode: I TL 2775-1P
Originaltitel: Dr. Mouse M.D.
Story: Fausto Vitaliano
Zeichnungen: Alessandro Perina
Oh, wie hab ich mir beim ersten und letzten Absatz den Kopf zu Tode genickt! Genau das ist die Ignoranz, die immer noch immer wieder zu Tage tritt. Aber ja.
AntwortenLöschenDu hast auf jeden Fall meine Vorfreude geweckt, HOFFENTLICH dürfen wir das auch noch lesen, wäre doch was für eine Parodie-Sonderedition. Die Beispiele sind zum Schlapplachen!
Finde ich im übrigen toll, so über den Teich zu schauen und ein wenig Unveröffentlichtes zu betrachten. Gerne mehr davon. ;)
Danke für deinen Kommentar! :)
AntwortenLöschenJa, mich ärgert es vor allem, dass man beim Verlag so eine Scheu davor zu haben scheint, Material zu kompilieren, das aus dem Rahmen fällt. Wenn Superhelden nicht angesagt wären, hätten es auch die "Ultraheroes" nie nach Deutschland geschafft. Wenn ich schon immer höre, dieser oder jener Comic passe nicht ins LTB. Im Endergebnis sieht dann jeder Band mehr oder weniger gleich aus und man freut sich schon wie ein Schneekönig, dass jetzt häufiger Geschichten von Casty abgedruckt werden.
Genau deshalb bin ich heilfroh, mich damals für ein "Mickey Parade Géant"-Abonnement entschieden zu haben. Natürlich erhält man auf diese Weise einige Dubletten (immerhin in einer anderen Übersetzung, die näher am Original zu sein scheint), aber eben auch den einen oder anderen 'Kracher'.
Aus diesem Grund werde ich in meinem Blog immer wieder mal den Blick nach Frankreich richten.
Über diesen französischen Dr. Goreman, unseren Dr. Goofman oder den original italienischen Dott. Fuoriman hab’ ich mir auch schon Gedanken gemacht, siehe https://blogabissl.blogspot.com/2019/03/black-goofy-pippo-nero.html = http://j.mp/2UiKpN6 . Übrigens stammen alle Mickymäuse seit dem Krieg aus Mailand, behaupte ich mal auf https://blogabissl.blogspot.com/2018/04/ltb.html = http://j.mp/2JrYced .
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