Mittwoch, 14. September 2011

Der zweitreichste Mann der Welt

Falls es jemand noch nicht mitbekommen hat: 2011 ist das Jahr der Jubiläen. 60 Jahre Panzerknacker, 50 Jahre Kuno Knäul, 50 Jahre Gundel Gaukeley, 50 Jahre Klaas Klever - und nicht zu vergessen: 55 Jahre Mac Moneysac. Natürlich werden jetzt einige Zweifler rummotzen: "55 Jahre sind doch kein Jubiläum!" Dazu sag' ich nur soviel: Jubiläum ist, wenn Ehapa 'ne Sonderedition auf den Markt bringt, kapiert? Es ist nun weiß Gott kein Zufall, dass dem alten Fossil ausgerechnet im September 2011 Titelgeschichte und Cover des Lustigen Taschenbuchs gewidmet sind, in welches es sich ja sonst nur überaus selten verirrt. Bei einem dermaßen runden Geburtstag lässt sich der Verlag eben nicht lumpen. Ehre, wem Ehre gebührt!
Ich spring' ja gern auf Züge auf. Bildlich gesprochen, versteht sich. Und wenn es gerade angesagt ist, Mac Moneysac zu ehren, will ich selbstredend nicht zurückstehen. Weil ich zugleich aber auch faul und einfallslos bin, beschränkt sich meine Ehrerbietung darauf, einige Worte über den ersten Comic-Auftritt des grantigen Bindfadenfetischisten zu verlieren.


Bedanken können wir uns bei Barks. Mal wieder. An Ideen, wie er seinen Protagonisten das Leben schwer machen könnte, hat es dem 'guten Zeichner' ohnehin nie gefehlt. Diesem schöpferischen Sadismus haben wir einige der markantesten Bösewichte in der Welt der Disney-Comics zu verdanken, unter denen der 1956 eingeführte Mac Moneysac schon allein deshalb heraussticht, weil er als das Spiegelbild einer Figur konzipiert ist, die wir gemeinhin zu den 'Guten' zählen. Als solches erfüllt er hauptsächlich die Funktion, die zahllosen Schattenseiten seines Antagonisten hervortreten zu lassen. Es ist daher sicher nicht abwegig, "Der zweitreichste Mann der Welt" als eine Charakterstudie über Dagobert Duck zu interpretieren.

Doch der Reihe nach: Alles beginnt damit, dass Dagobert in der Zeitung von einem gewissen Mac Moneysac erfährt, der für sich in Anspruch nimmt, der reichste Mann der Welt zu sein. Da er dies nicht auf sich sitzen lassen kann, reist er schnurstracks nach Südafrika, um den dort lebenden Rivalen in seine Schranken zu weisen. Als sich herausstellt, dass die beiden beängstigend ähnlichen Kontrahenten über dasselbe Gesamtvermögen verfügen, soll ein Bindfadenvergleich die Entscheidung bringen.
Vordergründig beruht die Spannung also auf der Ungewissheit, wer diesen absonderlichen Wettkampf am Ende für sich entscheiden wird. Für beide geht es um nichts Geringeres als den Endsieg.


Ja, ihr habt richtig gelesen: Endsieg. Ich gehöre zwar nicht zu denen, die sich nicht trauen, über deutsche Autobahnen zu reden, aber hier bin ich schon kurz zusammengezuckt. Immer wieder für eine kleine Überraschung gut, die Frau Dr. Fuchs. Nun denn, Kuriosum am Rande.
Wenden wir uns wieder dem Jubilar zu. Von Anfang an wird deutlich, dass ihn mit Dagobert wesentlich mehr verbindet als bloß der unermessliche Reichtum. Sei es der Geldspeicher, das tägliche Geldbad oder das zwanghafte Hamstern alter Bindfäden: In Mac Moneysac begegnet dem alten Pfennigfuchser die Verkörperung all seiner Macken. Auf diese plötzliche Konfrontation mit dem eigenen Ich reagiert er mit Selbstverleugnung.


Du sagst es: Einfach unmöglich! Nur gut, dass dir das nie passieren könnte, stimmt's Bertel?


Dagoberts Selbstsicherheit erweist sich in diesen Szenen als oberflächlich. Er ist durchaus nicht auf jede seiner Eigenheiten stolz, sondern scheint seine Fehler vielmehr zu verdrängen. Wenn sie ihm dann vor Augen geführt werden, kritisiert er sie, ohne diese Kritik jedoch auf sich selbst zu beziehen. Die unreflektierten Selbstzweifel der Figur sind hier zwar nur angedeutet, verleihen ihr aber dennoch weitere Tiefe.
In einigen Situationen treibt ihn die Auseinandersetzung mit seinem Alter Ego sogar dazu, seine wahrhaft dunklen Seiten zu offenbaren. Diese treten gerade deshalb so deutlich hervor, weil er sich mitunter noch gewissenloser verhält als sein Kontrahent. So schreckt er nicht davor zurück, das Leben seines Rivalen aufs Spiel zu setzen, um diesen letztlich absurden Wettkampf für sich zu entscheiden.


Dass wir als Leser dennoch zu Dagobert halten, ist nicht dessen moralischer Überlegenheit geschuldet, sondern unserer grundsätzlichen Sympathie für die Figur. Wir kennen den alten Knauser halt schon eine Weile und haben ihn lieben gelernt - mit all seinen Schwächen.
Zu diesen Schwächen zählt nicht zuletzt sein materialistischer Lebensentwurf. Sein Streben nach Reichtum ist bloßer Selbstzweck. Gerade weil er sich in erster Linie über seinen Status definiert, der reichste Mann der Welt zu sein, stellt Mac Moneysac für ihn mehr dar als nur einen Geschäftskonkurrenten. Er ist der Feind, da er Ansprüche auf einen Titel erhebt, welcher Dagoberts Existenz allererst ihren Sinn verleiht.


Dass dieser Titel letztendlich durch einen Bindfadenvergleich entschieden wird, ist eine ebenso originelle wie satirische Wendung. Die Wertlosigkeit des ausschlaggebenden Gegenstandes verdeutlicht nämlich nicht nur die schiere Irrwitzigkeit des Wettstreites, sie steht auch sinnbildlich für das Phänomen des funktionslosen Akkumulierens von Gütern.

Wenn ich Mac Moneysac anfangs einen Bösewicht genannt habe, so trifft diese Bezeichnung auf die ursprüngliche Konzeption der Figur nur bedingt zu. Erst in der drei Jahre später erschienenen Story "Der reichste Mann der Welt" sind die Rollen dann klar verteilt: Weil Dagobert dort mit lauteren Mitteln agiert, hebt er sich von seinem betrügerischen Widersacher ab, der von nun an auf den Part des Schurken festgelegt ist. Während ihn jedoch bei Barks mitunter noch Gewissensbisse plagen, reduzieren ihn andere Künstler in der Folge auf das Bild des skrupellosen Fieslings.

Storycode: W US 15-02
Originaltitel: The Second-richest Duck
Story: Carl Barks
Zeichnungen: Carl Barks