Es geht doch nichts über eine gepflegte Verwechslungskomödie! Während sich die Figuren abmühen, ohne zu begreifen, was eigentlich Sache ist, genießt das Publikum seine Überlegenheit und lehnt sich mit einem wissenden Lächeln zurück. Anstatt mit den Protagonisten mitzufiebern, amüsiert es sich über die Missverständnisse, in welche diese sich verstricken. Jeder Mensch ist eben bis zu einem gewissen Grad sadistisch veranlagt. Oder habt ihr eine bessere Erklärung parat? Geschenkt. Denn selbst wenn wir von elaborierten laienpsychologischen Erklärungsversuchen absehen, so bleibt doch die Erkenntnis bestehen, dass das Motiv der Verwechslung seit jeher zum Grundstock der humoristischen Literatur gehört. Wie ein roter Faden zieht es sich durch die Geschichte der Komödie: Von Plautus bis Shakespeare, von Nestroy bis Faraci.
Ihr habt richtig gelesen: Faraci. Warum auch nicht? Zugegeben, er ist kein Shakespeare. Zumindest wurde ihm bisher noch nicht die Urheberschaft an seinen Werken abgesprochen. Aber trotz dieses kleinen Makels darf der vermutlich versierteste Humorist unter den modernen italienischen Comic-Autoren nicht unerwähnt bleiben, wenn es um Verwechslungskomödien geht. Wer sich davon selbst überzeugen will oder wer einfach nur erfahren möchte, was den scheinbar so abgebrühten Türsteher hier aus der Fassung bringt, dem sei "Der geheimnisvolle Golo Ganter" ans Herz gelegt.
Es ist eine dieser Storys, deren Bekanntheit in keinem Verhältnis zu ihrer Qualität steht. Abgesehen von ihrem Entstehungsland Italien, wo sie in der Nebenreihe "Paperino Mese" veröffentlicht wurde, erschien sie bislang lediglich in Griechenland und Deutschland. Ein Grund mehr, sich an dieser Stelle etwas näher mit ihr zu beschäftigen.
Zunächst zur Handlung: Um den berühmten Designer Golo Ganter für sein Modehaus zu engagieren, veranstaltet Dagobert zu dessen Ehren eine High-Society-Party. Dabei fällt Donald die Aufgabe zu, den Modezar vom Flughafen abzuholen und auf die Party zu begleiten. Da die Einladung für zwei Personen gilt und Donald Franz das üppige Büffet nicht vorenthalten möchte, verabredet er sich mit ihm vor dem Eingang des Clubs. Nun verhindert jedoch der dichte Nebel an diesem Abend, dass Ganters Privatjet rechtzeitig landet, so dass Franz alleine eintrifft und sogleich für Golo Ganter gehalten wird, den kaum einer je zu Gesicht bekommen hat. Zur gleichen Zeit nimmt Donald aufgrund des Nebels die falsche Abfahrt und landet zusammen mit dem echten Designer auf einem ländlichen Bürgerfest. Eine durchaus heilsame Verwechslung, wie sich bald herausstellt...
Die Komik beruht in erster Linie darauf, dass Franz für Ganter gehalten wird, ohne dass er sich dessen bewusst ist. Daraus ergibt sich eine Reihe von Missverständnissen, die veranschaulichen, wie doppeldeutig doch die Sprache ist, wenn die Kommunizierenden von verschiedenen Voraussetzungen ausgehen. So kommt es dazu, dass Franz die Aussagen und Fragen der anderen Gäste in einem allzu buchstäblichen Sinne versteht.
Die Gäste wiederum legen in seine unschuldigen Antworten eine nicht vorhandene tiefere Bedeutung, da sie in dem Irrglauben befangen sind, mit einem Modezar zu sprechen.
Faraci lässt die sich hieraus entwickelnde Komik jedoch nicht in einer Szene kulminieren, welche die Verwechslung aufklärt. Das Missverständnis bleibt vielmehr bis zum Schluss bestehen und erweist sich kurioserweise als Glücksfall für alle Beteiligten. Während nämlich die Party dank Franz und seiner ebenso jovialen wie sinnenfreudigen Art auf Hochtouren läuft, entdeckt Golo Ganter auf dem Bürgerfest die Vorzüge des einfachen Lebens wieder. Dieser erzählerische Twist hebt die Story geschickt vom Gros der Verwechslungskomödien ab, indem er eine philosophische Dimension ins Spiel bringt. So kommt die Loslösung von der eigenen Identität im Falle Ganters einer lang ersehnten Befreiung gleich.
Man achte bei dieser herrlichen Panelsequenz darauf, dass sich der Hintergrund ständig verändert, während im Vordergrund relativ wenig geschieht. Diese von Faraci gerne verwendete Technik erlaubt es, den Erzählrhythmus zu variieren und einzelne Szenen präziser zu entwickeln. Durch die geringe Bewegung im Vordergrund wird in diesem Fall nicht nur die Gemütlichkeit des Ambientes verdeutlicht, sondern auch die Zufriedenheit Golo Ganters veranschaulicht. Der zunächst als selbstgefälliger Schnösel eingeführte Designer profitiert von der Verwechslung genauso wie die dekadente Abendgesellschaft im Club, welche durch die Anwesenheit von Franz ihre Lebensfreude wiederentdeckt. Am Ende sind daher alle einer Meinung:
Das Artwork von Deiana lässt sich im positiven Sinne als adäquat bezeichnen. Nicht nur gelingt es ihm, Faracis Gags passend zu visualisieren, sondern er beweist auch gerade bei der zeichnerischen Gestaltung der Partygäste ein gewisses Maß an Kreativität. Nun gut, manch anderer Künstler hätte vermutlich mehr auf den Putz gehauen. Ich bin mir allerdings nicht einmal sicher, ob dies der Komik des Geschehens überhaupt zuträglich gewesen wäre.
Was bleibt, ist eine ebenso hervorragend konstruierte wie einfallsreiche Gagstory, die mit dem Verwechslungsmotiv geschickt spielt, ohne darin jedoch vollends aufzugehen. Darüber hinaus lässt sich Faracis Skript auch als ein Paradebeispiel dafür auffassen, wie man auf produktive Weise mit der oft kritisierten Figur des Franz Gans umgehen kann. Reduziert man den faulen Knecht auf seine abnormalen Schlaf- und Essgewohnheiten, so befindet man sich in einer narrativen Sackgasse. Konzipiert man ihn hingegen als einen Lebenskünstler, der mit einer Welt konfrontiert ist, die es verlernt hat, zu genießen, so eröffnet sogar diese scheinbar einseitige Figur unverbrauchte Möglichkeiten des humoristischen Erzählens.
Storycode: I PM 203-1
Originaltitel: Paperino, Ciccio e il mega-party modaiolo
Story: Tito Faraci
Zeichnungen: Salvatore Deiana